startseite - instrumentarium

Windharfe -
Installation

Chin-Instrument -
Musikinstrument


Die Ulmer Windharfe ist jetzt als livestream weltweit und in real time hörbar:

http://windharfe.campus.uni-ulm.de/windharfe.m3u

und fürs Handy - livestream - lautet die Adresse:
http://windharfe.campus.uni-ulm.de:80/windharfe

natürlich nur wenn der Wind geht.
Nebengeräusche sind ganz natürlich: Menschen, Stimmen, Vögel, Hubschrauber, Musiker im Musikhaus ....
auch der Regen ist hörbar oder der Schnee oder ein Gewitter ....
manchmal ist sie auch zu laut oder übersteuert .... naja .... die Technik ....
aber meist klingt sie astronomisch schön -
Dieter Trüstedt


Das Chin-Instrument

Um das verwendete Instrument vom klassischen, chinesischen Ch'in - auch Guqin geannt - zu unterscheiden, setze ich den Begriff Instrument dazu. Dieses Instrument besteht aus einem Zedernholzbrett (wegen des geringen Gewichtes und der Stabilität), auf dem 5 Saiten gespannt sind. Die Stege der Saiten haben rechts eine Saitenverlängerung von einer Oktave und links eine Verlängerung von einer Quinte.

Wesentlich ist der Tonabnehmer: Er ist selbst gebaut und hat eine hohe Qualität in der Klangwiedergabe und der Rausch-Freiheit. Der Tonabnehmer wirkt wie ein Klangmikroskop. Es werden Klänge klar wiedergegeben, die normalerweise unhörbar sind. Wir können auf diese Weise in die Tiefe der Klänge hineinhören.

Die Stimmung der Saiten ist 4 - 5 - 6 - 7 - 8. Die Zahlen bedeuten die jeweiligen Teiltöne. Das heißt: musikalisch: Grundton - große Terz - Quinte - Naturseptime und Oktave.

Das Spielmaterial ist der Atem (die Saiten anblasen), das Plektrum (die Saiten zupfen), ein Glasstab (die Saiten anschlagen und auch zum Glissandi-Spiel), ein Federstab (in einem Metallkörper ist ein Stück Klaviersaite montiert) und der Bogen. Wir können die Saiten auch Ansingen (am besten das Holz mit den Zähnen berühren).

Das Anblasen der Saiten beim konzertanten Aufführungen ist ziemlich spektakulär - als wesentlicher Bestandteil der Musik in Interrogations (Yoshi Oida). Es bezieht sich auf das Koan: die Fahne flattert im Wind - ist es die Fahne die im Wind flattert? oder ist der Wind, der die Fahne zum Flattern bringt? oder ist es euer Geist, der die Fahne im Wind flattern läßt?

Vom Instrumentenbau her gesehen, war es reizvoll, den Tonabnehmer so effektiv zu machen, dass auch leichtes Anblasen der Saiten hörbar wird. Die Saiten können mit dem Atem einzeln und eindeutig gespielt werden.

Wenn der Wind die Harfe spielt, kommt der Begriff der Absichtslosigkeit in das Spiel (John Cage !). Man kann der Windharfe ohne Ermüdung zu hören, weil man keinen Höhepunkt, keine Spannung und Entspannung, keine Emotionen etc. erwartet. Es ist einfach da.

Beim Anblasen der Saiten ist man konzertant tätig, will etwas ausdrücken, etwas kommentieren, etwas darstellen. Das ist eine zeitlich begrenzte Musik. Die Musik der Windharfen-Installation hat die Begrenzungen nicht, sie ermüdet den Zuhörer nicht.

Verfolge ich den Gedanken, das Konzept, einer Konzert-Installation, dann kann ich solche ruhigen, gleichbleibenden Klangbilder ebenfalls setzen. Der Zuhörer kann zuhören, nicht zuhören, weggehen, zurückkommen und nochmal hören. Er weiß, dass es keine Geschichte, keine Episode gibt. Der Zuhörer ist in seinem Kopf in einem anderen Zustand, eher in dem Zustand: ein Phänomen wahrnehmen, keine sequentielle Story. Das hat auch etwas mit den verschiedenen Gehirn-Bereichen zu tun - siehe Oliver Sacks.

Wesentlich Haltung beim Spiel des Instrumentes ist das Zuhören, dem Instrument zuhören. Das Instrument überrascht den Spieler immerwieder mit seinen Antworten.

1978 entwickelten wir (Ulrike und Dieter Trüstedt) das Stück TOUCHING. Es besteht aus 24 Motiven, Spielanweisungen für Klangbilder. Es sind Grundbilder analog zu den Klangbildern des klassischen chinesischen Guqin. TOUCHING wurde sehr oft aufgeführt - in den 1980er Jahren - und schließlich auch erweitert.

Neu unter den Klängen ist vor allem das Anstreichen der Saiten mit einem Violinbogen. Der rechte Steg wurde so verändert, dass alle 5 Saiten anstreichbar sind.

Diese Instrument spielt in den Arbeiten mit Yoshi Oida eine wesentliche Rolle: Interrogations (Zen-Bilder, als Text, Schauspiel, Pantomik und Musik dargestellt), Komatshi (Meta Theaer) und Molly Sweeney (Oliver Sack, Yoshi Oida - Ballett, Schauspielhaus Nürnberg). Interrogations wird 7.-9. Oktober 2010 im Japanischen Institut New York von Yoshi Oida und Dieter Trüstedt aufgeführt.

Seit 2009 wird das Chin-Instrument auch mit Computer-Musik in Verbindung gebracht - siehe www.luise37.de. Das Chin-Instrument liefert Basisklänge, die mit dem Pure-Data-Programm weiterverarbeitet werden (Echo, Loops, Raum-Zeit-Melodien, Faltungen).

Das Chin-Instrument ermöglicht unmittelbar komplexe Klänge zu erzeugen. Die Reaktion während der Aufführung (vor allem im Kontext von Tanz-Theatern) ist mit Chin-Instrument direkt, ohne Umsetzung in Melodien oder Rhythmen. Der Klang ist hier die erste Instanz der künstlerischen Antwort.

Chin-Instrument als Installation

Die frühesten Erfahrungen mit den Klängen des Windes auf Saiten war 1973 - siehe Foto mit Drachen, Mikrofon und Revox-Tonbandgerät. Der Wind bewegt den Drachen. Die Perlonschnur singt dadurch in verschiedenen Tonhöhen. Das Holzbrett am Ende der Drachenschnur verstärkt zusätzlich den Klang.

Das Chin-Instument stellten wir senkrecht auf, unten Metallfüße. Es waren die ersten Musik-Objekte. Wir spielten diese Instrumente vor allem mit einem weichen Schlägel für Gong-Klänge.
Heute montieren wir das Instrument waagerecht auf hohen Stativen, um das Instrument im Stehen spielen zu können. Gleichzeitig ist das Instrument eine Art Musik-Skulptur.

In der Gruppe EMU Experimentelle Musik Universität Ulm spielen wir das Chin-Instrument zu mehreren Spielern - vor allem im Kontext von Konzert-Installationen (bei Vernissagen u.a.).

Die empfindliche Verstärkung der Saitenschwingung ermöglicht die Wiedergabe von Klängen, die von feinen Windbewegungen erzeugt werden. Siehe die verschieden Windharfen in http://www.luise37.de/windharfe/windharfen.htm.
Die ursprüngliche Idee, die Windrichtungen direkt in das akustische Bild zu übertragen funktionierte nicht gut, weil der Wind sehr eigenwillig ist, d.h. er ist absichtslos. Am deutlichsten ist dieses Verhalten, wenn der Wind abwesend ist. Für Abendländer ist das ein Problem: Die normale Reaktion: stellt doch einen Ventilator auf.

Interessant ist die Stimmung der Saiten einer Windharfe: Der erste Gedanke ist, dem Wind möglichst viele Tonhöhen zu geben, d.h. die Saiten in Oktaven, Quinten, Terzen etc. zu stimmen. Das Ergebnis ist: der Klang wir grau.
Der Wind spiel seine eigene Musik, vor allem durch das Anregen von Obertönen.
Das heißt aber: alle Saiten werdne auf die gleiche Tonhöhe gestimmt, es sind Primen. Gut ist es, wenn die Saiten verschiedene Dicken haben. Durch die verschieden Saitenspannungen entstehen lebendige Oberton-Spektren. Natürlich können auch Oktaven gesetzt werden.
So sind auch die historischen Windharfen gestimmt.

Joachim-Ernst Berendt bat mich den Ton der Erde aufzunehmen - viele Oktaven unterhalb der Hörgrenze, "erzeugt" durch die Umdrehung der Erde, rechnerisch der Ton G, ungefähr 98 Hz. Den Aufbau für die Aufnahme siehe Foto. Es entstanden sehr ruhige Klangbilder. Durch Temperaturschwankungen verändert sich sehr schnell die Tonhöhe der Saiten. Eine Teil der Aufnahme ist in http://www.uni-ulm.de/muz/windharfe/windharfecd.htm zu hören.

Zur Zeit wird ein Live-Stream der Ulmer Windharfe von der Universität Ulm vorbereitet - ab März 2010 hörbar unter windharfe.campus.uni-ulm.de. Die Windharfe ist anrufbar unter der Telefonnummer: 0049 - 731 - 502 2419. Die Windharfe ist eine weltweit hörbare Klang-Installation - mit Live-Klängen.

Regen, Schnee, Nebel-Wetter beeinflussen stark die Klänge - d.h. das Instrument ist auch eine Wetterharfe - die Klänge sind dann percussiv, sehr trocken bzw. stark gedämpft. Als Umweltharfe kann das Instrument verstanden werden, wenn die Nebengeräusche, die automatisch integriert werden, in die Musik einbezogen werden: die Amseln, die Krähen, die Düsenjäger, die Stimmen, die Fliegen (wenn sie gegen die Saiten fliegen).


Bildmaterial


1973 - Anhörung des Windes (Roter Pfarrhof, Peterskirchen, Wasserburg) Drachen, Perlonschnur, Mikrofon, Holzbrett (Resonanzkörper), Revox-Tonbandgerät. David Fuchs hört. Foto: Dieter Trüstedt.

"Musik+ Instrumente" im Kunstzentrum Neuperlach München
Engelhorn-Stiftung zur Pflege und Förderung der Kunst, 1975.
Es sind freihängende Saiten mit einem Tonabnehmer unterhalb der Aufhängung.
Die Saiten werden mit Gewichten gespannt.
Die Gewichte sind Klangkörper aus Metall.
Es entstehen Klänge, die sowohl von der Saite als auch vom Klangkörper bestimmt werden -
und natürlich vom Spiel auf den Saiten - vor allem mit Glasstäben angeschlagen und gestrichen.
Später entstanden aus diesem Ansatz die Ballastsaiten, bei denen der Tonabnehmer durch eine Trommel
ersetzt wird, die den Klang aufnimmt, verstärkt und auch den Eigenklang einspielt.

Am 23.7.1976 werden in Wasserburg am Inn auf dem Rathausplatz drei Windharfen aufgebaut. Die Flügel der Harfen werden ausgerichtet nach den Haupt-Windrichtungen. Am Abend von 19 bis 22 Uhr spielt der Wind mit den Saiten, deren Schwingungen elektronisch verstärkt und dreikanalig über Lautsprecher auf dem Rathausplatz hörbar gemacht werden. Das Spiel des Windes bleibt in der reinen Harmonik der Zahlenverhältnisse n/m. Die Stärke des Windes wird hörbar in der Ziffernfolge n, d.h. die Saiten schwingen bei wachsender Windenergie in zunehmend höheren Oberwellen. Wechselt der Wind die Richtung, dann regt er andere Saiten an; die Saiten sind gestimmt in der Ziffernfolge m. M = 1 und 2 ist die Richtung der Oktaven, m = 3 und 4 ist die Richtung der Quarten und Quinten und m = 5 und 6 ist die Richtung der kleinen Terzen.
n/1 und n/2 mit n = 1,2,3,4,5, ... n/3 und n/4 mit n = 1,2,3, 4, 5, ... n/5 und n/6 mit n»1, 2,3, 4,5, ...
Die Windharfen stehen auf Stativen bis 4,50 m Höhe. Sie bestehen aus Stahlsaiten, hochempfindlichen Tonabnehmern und .Plexiglas-Flügeln. Das freie Spiel des Windes begleiten wir auf Monochorden.
Das musikalische Ereignis wird auf Band aufgenommen und in der Kunstausstellung im Rathaus in den nachfolgenden Tagen wiedergegeben.
Literatur: Hermann von Helmholtz "Tonempfindungen", Vieweg Verlag, Braunschweig, 1913, S.25. Hans Kayser "Akroasis" (*= Anhörung), Schwabe Verlag, Basel, 1946, S.6. Albert von Thimus "Die harmonikale Symbolik des Altertums", Köln, 1868 - 1876, Bd.I, S.132 ff.

Windharfe auf dem Bücherturm in Gent
Dieter Trüstedt
Zwei Windharfen wurden am 22. September 1988 auf dem 80 m hohen Bücherturm (Architekt: Henry Van de Velde) der zentralen Universitätsbibliothek von Gent (Belgien) auf zwei gegenüberliegenden Ecken aufgebaut. Es sind 150 cm lange siebensaitige Monochorde mit sehr empfindlichen Tonabnehmern. Die Klänge der vom Wind gespielten Saiten werden in den, im selben Geschoß liegenden, Ausstellungsraum übertragen.
Das Windharfenprojekt steht im Zusammenhang mit "Architectuur als Buur", dauert bis zum 15.Dez. 1988 und wurde von stichting logos, Gent, inszeniert.

Siehe: http://www.luise37.de/windharfe/windharfen.htm
Dort sind ca. 9 Windharfen-Installationen abgebildet. Insgesamt gibt es / gab es ca. 20 Installationen an verschiedenen Orten in ganz Deutschland, Italien, Belgien.
Siehe auch: http://www.uni-ulm.de/muz/windharfe/windharfecd.htm
Die angegebene Windharfen-CD ist noch erhältlich - für 18 euro incl. Versand.


Dieter Trüstedt im Hörraum der Ulmer Windharfe


Dieter Trüstedt beim Symmetrisieren des Tonabnehmers.
Universität Ulm / EMU - Experimentelle Musik und Kunst /
Axel Baune beobachtet. Foto: Christine Söffing


Wartungsarbeiten an der Ulmer Windharfe.


Ulmer Windharfe. Englisches Telefonhaus zum Windharfen-Hören.


Windharfe - hier als Acryl-Objekt - auf dem Klangturm St. Poelten ca. 2000, realisiert.


Zwei Windharfen für den Auftrag von Joachin Ernst Berendt - Aufnahme des Erdentones G.


Partitur-Blatt zu TOUCHING, Ulrike und Dieter Trüstedt, 1978 - für Gaudeamus-Wettbewerb in Utrecht.


Dieter Trüstedt mit Chin-Instrument in der Aufführung "genesis sequence-one" mit Jessica Billeter, Alexander Schilling und Hans Wolf


Chin-Instrument in Stockholm auf der Bühne
Aufführung "Interrogations" mit Yoshi Oida.


Chin-Instrument - Spiel im Carl Orff Auditorium München


Chin-Instrument mit den Oberton-Punkten - entsprechen dem klassischen chinesischen Chin.


Spielmaterial für das Chin-Instrument


Rechter Steg des Chin-Instrumentes - hier die schräge Stellung für die Reinheit der Oktav-Töne (abhängig von der Saitenspannung und Saitendicke).

 

Stimmvorgang für das Chin-Instrument. Stimmung nach den Partialtönen (Obertönen) 4, 5, 6, 7, 8. Farbig markiert sind die - beim Flageolett-Tönen - gleichen Töne.


über die Absichtslosigkeit des Windes

Die Natur ist dem Menschen gegenüber vollkommen gleichgültig.

http://www.luise37.de/2009/absichtslosigkeit/absichtslosigkeit.htm